Materialien für Schulen

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Materialien für Schulen

Der BHPV hat in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Kultusministerium in zweijähriger Arbeit Material erarbeitet, mit dem an allen Schulen in Bayern in allen Schulzweigen und Schulformen (von der Förderschule bis zum Gymnasium) Unterricht zu unseren Themen gestaltet werden kann. Eine Auswahl geeigneter Literaturvorschläge haben wir hier für Sie zusammengestellt:   Merken Merken


Hospiz und Schule


Abschied, Sterben, Tod und Trauer als Thema für Schule und Unterricht

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Herausgeber:
Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst

Im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst erarbeitet durch das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung
Schellingstraße 155, 80797 München
www.isb.bayern.de

Redaktion:
Claudia Reichmann (ISB)
Martin Bube
Gitta Gritzmann
Carmencita Hartwig
Edeltraut Melzl-Butz
Stefan Meyer
Michaela Pelz
Christine Schießl
Ulrike Wagner

1. Auflage:
Januar 2015

Vertrieb:
Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst
Salvatorstraße 2, 80333 München

Umgang mit Abschied, Sterben, Tod und Trauer – eine Aufgabe für die Schule?

Die Präambel des bayerischen Rahmenkonzepts zur Hospiz- und Palliativversorgung1 fordert: „Die beständige Auseinandersetzung mit den Themen Sterben und Sterbebegleitung ist Aufgabe für die ganze Gesellschaft.“ Das Thema Tod und Sterben in der Familie kindgerecht zu kommunizieren, ist jedoch nach wie vor schwierig und tabubehaftet. „Wie viel Tod kann man einem Kind zumuten?“, steht als Frage neben der Tatsache, dass der Tod durch seine Darstellung in Filmen und Medien schon längst zum Alltag unserer Kinder gehört und damit vermeintliche Normalität ist. Doch der Tod in den Medien ist ein anderer als der tatsächlich erlebte Abschied von einem nahen Angehörigen oder Freund. Ein solcher – der „echte“ Tod – macht oft sprachlos und hilflos, den Betroffenen und die „Zurückbleibenden“.


Adieu, Herr Muffin – Ulf Nilsson, Anna-Clara Tidholm


Original: Adjö, herr Muffin
Aus dem Schwedischen von Ole Könnecke
Moritz Verlag gebunden
Frankfurt, 2013
ISBN 978-3-89565-148-9
(Kinder ab 4)
40 Seiten

Sieben Jahre alt ist der Herr Muffin und ganz genau wird sein Zuhause beschrieben: Etwa der Briefkasten aus Pappe vor dem Häuschen, in dem manchmal Leckerbissen ankommen. Eines Tages jedoch liegt da ein Brief (den der Meeri-Mann erst mal komplett auffuttert), ein Brief, der klar macht, dass auch Tiere sterben können. Herr Muffin nimmt das zum Anlass, gedanklich sein Leben Revue passieren zu lassen: Sich an seine Frau, die Kinder zu erinnern, an den Hamster, den er immer beneidete, an das, was gut war. 7665 Mal hat man ihn gestreichelt, 728 ganze Gurken konnte er verputzen, er war frei – und der Hamster musste die ganze Zeit in seinem Rad laufen. Diese Erinnerung tut gut – vor allem jetzt, wo sein Bauch schmerzt und er sich bald wirklich schlecht fühlt. Aber Herr Muffin ist dennoch nicht frei von Angst – und findet es ungemein tröstlich, dass in einem weiteren Brief ein Kind schreibt „Ich liebe dich so sehr“. Als dann der Tod tatsächlich eintritt, wird das Ereignis förmlich zelebriert. Es gibt eine Zeitungsmeldung, eine Todesanzeige, eine pompöse Beerdigung und einen letzten Brief … Das Buch, das in Schweden als bestes Bilderbuch des Jahres ausgezeichnet wurde, ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass es möglich ist, sich einem schwierigen Thema auf leichte, aber doch angemessene Weise zu nähern. Viele Kinder haben ein Haustier – oft ist es ein Hase oder ein Meerschweinchen, das eines Tages an Altersschwäche verstirbt. Die meisten betrauern diesen Verlust ebenso intensiv wie sie den Abschied angemessen feierlich begehen wollen. Denn sehr häufig ist es der erste Kontakt dieser Jungen und Mädchen mit dem Tod. Das Buch trägt all dem Rechnung, schlägt aber gleichzeitig die Brücke zu den menschlichen „Alten“, den Großeltern. Geschickt gelöst wird dies durch die Illustrationen der vielfach preisgekrönten Anna-Clara Tidholm. Der Meerschweinchenmann selbst bleibt zwar immer klar als Tier erkennbar, lebt jedoch in einem Häuschen mit Bildern an den Wänden im Wohnzimmer. Seine Gefühle in Bezug auf Vergangenheit und Zukunft sind menschlich und nachvollziehbar. Die Ereignisse nach dem Tod von Herrn Muffin sind ebenfalls stark an das angelehnt, was sich beim Verlust eines Angehörigen abspielt. Den Schlusspunkt setzt der letzte Brief „Der Tod ist doch ein Ausruhen, oder? Nichts, wovor man Angst haben muss. So ist es doch, Herr Mufiin, oder? Du weißt es doch?“ Zweifel und Vertrauen halten sich hier die Waage – und jeder kann für sich entscheiden, was er daraus mitnehmen möchte.


Michaela Pelz Bevor ich sterbe – Jenny Downham


Original: Before I die
Aus dem Englischen von Astrid Arz
cbt Broschur München, 2010
ISBN 978-3-570-30674-1
320 Seiten

3.15 bis 3.19: Sex. Das erste Mal im Leben. Mit einem bis dahin wildfremden Jungen. Der Himmels ist dabei nicht untergegangen, aber es war irgendwie schon okay –Tessa Scott ist sich nicht sicher, ob sie glücklich ist. Was sie jedoch weiß: Der erste Punkt ist erledigt. Der erste Punkt der Liste jener Dinge, die das Mädchen vor seinem Tod noch erlebt haben möchte. Vier Jahre ist es schon her, dass ihre Mutter die Familie verließ – und fast vier Jahre lebt die jetzt 16jährige schon mit einer Diagnose, die den stärksten Mann umhauen würde: Leukämie. Vier Jahre mit Hoffen und Bangen und einem Alltag, der alles andere als alltäglich ist: Immer wieder Krankenhausaufenthalte, immer wieder grauenvolle Schmerzen (etwa bei der Lumbalpunktion), immer wieder der Versuch, sich so gut als möglich wegzubeamen, gedanklich auszuklinken. Das Sterben geht nicht schnell – es ist angekündigt. Für den alleinerziehenden Vater, den kleinen Bruder, die Mutter, die anderswo wohnt ist das genauso schlimm wie für Tessa, die im Bett liegt und nie wieder aufstehen möchte. So oft haben alle schon das Internet leergelesen und immer wieder gegen jede Vernunft gehofft, neue Erkenntnisse zu finden – und nun ist klar, dass alles nichts hilft. Wut mischt sich mit Trauer, Tessa begeht auf, will sich nicht zusammenreißen, nicht mehr positiv denken, nicht in die Schule zurückkehren, um dort Leute kennenzulernen, die dann bei ihrer Beerdigung betroffen sein können. Dann trifft sie Adam und macht mit ihrem alten Leben und dem Leiden Schluss. Ohne Skrupel verbrennt sie ihre Tagebücher, die Karten mit Genesungswünschen und die Fotos von früher. Zutiefst berührt begleitet der Leser die Ich-Erzählerin durch die 46 Kapitel dieses gleichzeitig unendlich traurigen und dann doch wieder gnadenlos komischen und frechen Buches. Wie schwer muss es sein, sich hauptsächlich an Orten aufzuhalten, an denen es von anderen Todkranken wimmelt? Man freundet sich an und dann sterben sie einfach weg? Wie erdrückend muss er sein, der Gedanken an all die „niemals“… – studieren, Auto fahren, den Bruder aufwachsen sehen, ein Haus, eine Familie, Kinder, einen Beruf haben … alles bleibt ihr verwehrt. Doch der Teenager lässt sich nicht erdrücken und tut die aberwitzigsten Dinge, auf die man erst einmal kommen muss: Einen Tag zu allem „ja“ sagen – egal, ob man Lust dazu hat und wie absurd das Verlangte auch sein mag. Drogen nehmen, Gesetze brechen, alte Erinnerungen wieder aufleben lassen, an neue Orte fahren, mit der besten Freundin streiten … Wäre die Situation keine so tragische, man könnte sich ausschütten vor Lachen über das, was Tessa tut, die ja keine Angst mehr vor den Konsequenzen haben muss. „Das Leben ist eine Abfolge einzelner Momente, aus denen sich die Reise ans Ende zusammensetzt.“, und an eben diesen Augenblicken darf der Leser teilnehmen. Ebenso wie an den Begegnungen mit den Menschen, die Tessa am wichtigsten sind. Der Vater, der alles für sein kleines Mädchen getan, seine Arbeit, seine Freunde aufgegeben, stundenlang in Krankenhäusern herumgesessen und sich mit ungeliebten Sportarten beschäftigt hat, nur für sie. Cal, der bis zuletzt Normalität ins Leben seiner großen Schwester bringt und es Scheiße findet, dass sie sterben muss. Die Mutter, die während der gesamten Krankheit nicht präsent war, keine einzige Untersuchung miterlebt hat und doch, als es wirklich darauf ankommt, helfend zur Seite steht. Und Adam, dessen Liebe so unendlich groß ist und echt, dass sie für mehr als ein Menschenleben reicht. So tief sind seine Gefühle, so überwältigend ist das, was er tut, dass man schon beim Lesen nur noch weinen möchte und Sehnsucht empfindet, selbst einmal so etwas erleben zu dürfen … Ein Buch, das unter die Haut geht. Und den Leser mitten ins Mark trifft. Was für ein Roman!


Michaela Pelz Die besten Beerdigungen der Welt – Ulf Nilsson, Eva Eriksson


Original: Alla döda sma djur
Aus dem Schwedischen von Ole Könnecke
Moritz Verlag gebunden Frankfurt, 2006
ISBN 978-3-89565-174-8
(Kinder ab 4)
34 Seiten

Die Kinder langweilen sich, doch endlich passiert was: Sie finden eine tote Hummel und bereiten ihr ein feierliches Begräbnis. Dafür wird extra ein Gedicht geschrieben, ein Loch gegraben, Blumen gesät. Weil das alles so aufregend und erhebend ist, finden der Ich-Erzähler, Ester und deren kleiner Bruder Putte Gefallen an der Sache, suchen nach weiteren Toten – und finden sie. Gründen sogar eine Beerdigungsfirma. Nach und nach wandern unter die Erde: Eine Spitzmaus, ein Hamster, ein Hahn mit abgeschlagenem Kopf, Heringe aus dem Kühlschrank, Mäuse aus der Falle (die noch schnell getauft werden), überfahrene Tiere. Es werden Kreuze aufgestellt, noch mehr Gedichte geschrieben, Lieder gesungen. Alles ist von einer herzerfrischenden Unbekümmertheit, die aber durchaus Ernsthaftigkeit erkennen lässt. Vor allem aber wird genau das Verhalten widergespiegelt, das Kinder an den Tag legen. Vielleicht keine Großstadtkinder, die man mit aller Kraft von toten Viechern fern hält (man könnte sich mit Krankheiten infizieren!) – aber die Kinder aus den Illustrationen der dreifachen Mutter Eva Eriksson, die schnell Assoziationen mit Astrid Lindgren Figuren wach werden lassen. Vor allem aber jene Kinder, die mit dem Begriff „tot sein“ noch keine Urängste verbinden, keine beklemmenden Gedanken an das, was mit ihnen oder ihrer Familie irgendwann passieren wird. Erst als die Kinder hautnah den Tod einer Amsel, die gegen das Fenster fliegt, miterleben, werden sie von Trauer ergriffen. Einer Trauer jedoch, die sich auch diesmal durch eine stilvolle Bestattung mit einem ergreifenden Gedicht lösen lässt. Und „Am nächsten Tag machen wir dann etwas ganz anderes.“ Treffender – und kürzer – lässt sich nicht beschreiben, wie natürlich der Umgang mit dem Tabuthema Tod in diesem ganz besonderen Alter (vom Kindergarten bis zu den ersten Grundschuljahren) ist und sein kann, wenn man nur den Mut hat, diese Natürlichkeit auch im Verhalten zuzulassen. Michaela Pelz


Du wirst immer bei mir sein – Inger Hermann, Carme Solé Vendrell


Sauerländer gebunden Frankfurt, 2010
ISBN 978-3-73736-402-7
(Kinder ab 4)
32 Seiten € 9,90

Es ist schlimm, wenn ein Angehöriger stirbt – die Großmutter, das ungeborene Baby im Bauch der Mutter … Wenn aber ein Kind Vater oder Mutter verliert, dann geraten sämtliche Grundfesten des Lebens ins Wanken. War es nicht der große Papa, an dem man sich festhalten konnte, bei den ersten Schritten, um nicht unsanft auf der Erde zu landen? Und kühlten nicht Mamas sanfte Hände eine fieberheiße Stirn oder verscheuchte sie nicht energisch die bösen Nachtgespenster? Und nun soll einer nicht mehr da sein – das geht doch gar nicht! Was für Erwachsene schon schier unbegreiflich scheint, ist für ein Kind dramatisch und unwirklich zugleich. Genauso geht es Peter, der einfach nicht fassen kann, dass der Papa nie wieder kommen wird. Denn auf der Fahrt in den Urlaub ans Meer hat die Familie einen Unfall – und als der Fünfjährige im Krankenhaus erwacht, erfährt er, dass sein Vater bei dem Unfall gestorben ist. Trotzdem hat der Junge das Gefühl, als sei der Mann, mit dem ihn eine ganz besondere Beziehung verband, doch nicht völlig verschwunden: Immer wieder erinnert sich das Kind an gemeinsame Erlebnisse, sieht unvermittelt Papas Gestalt, seine lächelnden Augen, hört seine Worte … Im Krankenhaus, während die Mutter hilflos weint und die große Schwester Peters Erzählung über die Präsenz des Vaters für einen Traum hält. Im Röntgenraum, in dem Papas Stimme ihm die Angst nimmt. Beim Gang durch den verregneten Park nach dem ersten Schultag. Natürlich ist der Junge traurig. Und wütend. Und sucht nach einem Grund für diesen sinnlosen Tod. Aber er spürt auch, was ihm der Großvater mit auf den Weg gibt „Manchmal kann man es spüren, dass jemand, der gestorben ist, den man lieb hat, ganz nah bei einem ist – und ganz wirklich.“ Die großen Textstrecken des Buches werden aufgelockert durch die ganzseitigen, stets rechts befindlichen Illustrationen von Carme Solé Vendrell, die stets den Protagonisten, Peter, in den Mittelpunkt ihrer teilweise recht sparsamen, aber sehr ausdrucksstarken Zeichnungen stellt. Auch der Text tut dies – nicht der Schmerz der Mutter, die Verzweiflung der Schwester oder das Leid der Großeltern stehen im Zentrum, sondern Peters Gefühle und seine immer wiederkehrenden Begegnungen mit der lebendigen Erinnerung an den Vater. Papa ist da, wenn er Angst hat. Wenn etwas Neues vor ihm liegt. Papa tröstet und stützt ihn – in Gedanken, nun da er es nicht mehr tatsächlich tun kann. Es ist ein sehr tröstliches Buch, das den schlimmen Schock zumindest ein wenig abmildert. Und ein Buch, das kleinen und großen Lesern ein Halt in der schwersten Zeit ihres Lebens sein kann. Michaela Pelz


Ente, Tod und Tulpe – Wolf Erlbruch


Kunstmann gebunden München, 2007
ISBN 978-3888974618
(Kinder ab 5)
32 Seiten
€ 14,90

Die Ente hat einen laaaaaaangen Hals – der Tod, ein freundlicher Schädel, trägt einen hochgeschlossenen beige-karierten Mantel, der fast ein wenig an einen Schlafrock erinnert, und ein Paar dunkle Pantoffeln und Handschuhe. Außerdem hat er stets eine schwarze Tulpe dabei. Als sich die beiden kennenlernen, ist es für die Ente zunächst ein Schock – doch nach und nach gewöhnt sie sich an den kauzigen Kerl und seine Gesellschaft. Damit er sich nach dem Baden im Tümpel nicht erkältet, wärmt sie ihn sogar mit ihren breiten Flügeln. In tiefgründigen und doch humorvollen Dialogen kommen sich die beiden näher – und immer wieder stellt die Ente Betrachtungen und Mutmaßungen an über das Sterben und alles was damit zusammenhängt. Doch wirklich eindeutige Antworten auf ihre Fragen hat der Tod nur selten. Eines Tages dann ist es so weit: Die Ente ist gestorben und der Tod schickt sie ganz behutsam auf ihre letzte Reise – nicht ohne ihr die Rose zur Begleitung mitzugeben … Fast ist er selbst ein wenig betrübt. Aber nur fast. Denn so ist das Leben … Selten wurde das Thema Tod auf so poetische Weise und mit so minimalistischen Mitteln aufbereitet wie in diesem brillanten Bilder-Buch, das auch Erwachsene nachhaltig beeindruckt. Zeichnungen und Text ergänzen sich perfekt – kein Wunder, stammen sie doch beide vom vielfach preisgekrönten Autor-Illustrator-Universitätsprofessor. Dass man den Tod nicht fürchten muss, das nimmt dem Wuppertaler jeder sofort ab. Und dass er manchmal schon lange Zeit vor dem tatsächlichen Ende ein Stück Weg gemeinsam mit dem geht, um den er sich dann als allerletzter kümmert, bevor der lange, unendliche Fluss den toten Körper davonträgt. Dieser Tod „holt“ keinen – er ist im richtigen Moment zur Stelle, dann, wenn die Zeit gekommen ist. Ihn muss man nicht fürchten, auch wenn er gern mal ein paar lästerliche Reden führt. Stattdessen glättet er am Schluss mit sanfter Hand das gesträubte Gefieder und auch als Leser fühlt man: So wie es ist, ist es gut. Ein wunderbares Buch – traurig und trostreich zugleich. Michaela Pelz


Es wird mir fehlen, das Leben – Ruth Picardie


Original: Before I Say Goodbye
rororo TB Hamburg, 2007
ISBN 978-3-499-24422-3
aus dem Englischen von Kim Schwaner
176 Seiten

Was muss das für ein Buch sein, das den Lesenden noch minutenlang nach Beendigung der Lektüre die Tränen aus den Augen strömen lässt? Aber, noch viel wichtiger, was muss das für eine Frau (gewesen) sein, die im Angesichts des Todes E-Mails und eine Kolumne schreibt, die zum Köstlichsten gehören, was man jemals gelesen hat – so respektlos, ironisch, teilweise sarkastisch oder einfach nur hemmungslos komisch wird hier mit dem „bösen K-Wort“ umgegangen und mit all dem, was mit einer Krankheit wie Brustkrebs zusammenhängt. Ruth Picardie ist jemand, den man schon nach den ersten Zeilen ins Herz schließt – ihr Bild auf dem Buchcover, das so viel Lebensfreude und Humor ausstrahlt, tut ein übriges, um dafür zu sorgen, dass man die Wahl-Londonerin noch lange im Gedächtnis behält, auch wenn man weder sie, noch ihre Artikel im Life-Magazin des Observers gekannt hat und sie bereits seit dem 22. September 1997 tot ist. Die im Buch enthaltene elektronische Korrespondenz zwischen der Tochter südafrikanischer Emigranten und ihrer alten Freundin Carrie in Vietnam, dem schwulen Jamie, der an AIDS erkrankt ist und India, einer Journalistenkollegin beginnt im November 1996. Naturgemäß setzt sich die Mutter von kleinen Zwillingen darin mit den aktuellen Entwicklungen ihres Krankheitsverlaufs, sowie der Behandlung auseinander – auf herrlich pointierte Art und Weise, wenn sie etwa beschreibt, wie sie, (wer würde das in einer solchen Situation nicht tun!) auf „jede noch so verrückte Diät“ einsteigt und „jeden rauschebärtigen Heiler der Branche“ konsultiert, als Chemo und Strahlentherapie versagen. Und der Leser weiß ganz genau, wie sie sich fühlen muss, wenn sie Jamie vorschlägt: „Sollen wir einen albernen Film machen, den man nach unserem Tod auf BBC2 zeigen kann? Überbelichtet und schwarzweiß, damit wir toll aussehen, jede Menge Zeitlupen-Gerenne am Strand und Tom Cuise und Nicole Kidman, die unsere E-Mail-Korrespondenz rezitieren.“ Darüberhinaus geht es aber in Ruths Briefen und in ihren Kolumnen auch um andere, in diesem Fall jedoch ganz und gar nicht triviale, Dinge: zum Beispiel darum, wie durch Kauforgien – etwa von Wäsche oder Kosmetika – das Wohlbefinden einer Frau, selbst wenn sie todkrank ist, um ein Beträchtliches steigerbar ist. Darum, dass das Schlimmste am Sterben die Tatsache ist, dass sie nun niemals die 4. Staffel von „Emergency Room“ sehen und nicht wissen wird, wie es mit Doug Ross und Schwester Carol Hathaway weitergeht. Oder darum, wie die Umwelt mit einer Todgeweihten umgeht – wer nicht betreten schweigt, will mit der nun sehr populären Journalistin essen gehen, damit er sich auf ihrer Beerdigung bedauern lassen kann. Welchen Nerv die Frau mit der scharfen Zunge englandweit bei den Menschen getroffen hat, zeigen die Reaktionen auf die fünf Artikel, die sie auf Betreiben ihrer Schwester vor ihrem Tod in der Sonntagsbeilage des „Observer“ veröffentlichte. Stapel von Leserbriefen waren die Folge. Manche (zur Aufmunterung?) mit der Schilderung des eigenen schrecklichen Schicksals. Andere, in denen man sich für ihren schwarzen Humor bedankte und sie beschwor durchzuhalten. Und wieder andere, die außer unendlichem Mitgefühl zauberhafte Geschenke enthalten – und damit sind nicht die Bibeln und Traktate christlicher Rückbesinnung gemeint… So versuchte etwa ein Mitarbeiter von Channel 4, leider erfolglos, dem Ärzteserienfan Picardie doch noch Kassetten mit der Fortsetzung von „E.R.“ zu verschaffen. In jeder Hinsicht also lesenswert, dieses Buch, das die Schwester und der Mann der Verstorbenen aus dem schriftlichen Nachlass zusammengestellt haben. Ein Buch, das unendlich rührend ist – ohne jemals rührselig zu werden, betroffen macht – ohne deshalb in „Betroffenheitsliteratur“ abzurutschen und, bei allem Schmerz und der Trauer, die der Gedanke hervorruft, dass eine Mutter ihre Kinder nur zwei Jahre auf deren Lebensweg begleiten durfte, Mut und Hoffnung ausstrahlt. Und außerdem Hochachtung und Dankbarkeit darüber erweckt, was diese tapfere Frau ihrer Familie, ihren Freunden und uns, völlig Unbekannten, hinterlassen hat. Michaela Pelz


Finsterböses Bayern – Angela Eßer, Heidi Keller


Allitera Verlag,
Broschur München, 2014
ISBN 978-3-86906-499-4
267 Seiten

Krimi-Kurzgeschichten als “Morden für den guten Zweck” … so formuliert es der Geschäftsführer des Bayerischen Hospiz- und Palliativverbands, Dr. Erich Rösch, in seinen einleitenden Worten. Genau das haben die 25 Autorinnen und Autoren aus Bayern getan, indem sie im vorliegenden Buch über das Sterben und den Tod – aber eigentlich immer wieder über das Leben geschrieben haben. Denn natürlich geht es zu allererst um Beziehungen zwischen durchaus lebendigen Männern und Frauen, Eltern und Kindern, Geschwistern, Nachbarn, Rivalen … Menschen, die sich erst in Liebe, aber dann nicht selten in Eifersucht, Rachegefühlen oder gar Hass verbunden sind. Was wiederum zu unkontrollierten oder im Gegenteil von langer Hand geplanten Aktionen führt. Oder zu unausweichlichen Konsequenzen für böse Taten … Wie etwa in Friedrich Anis “Im Paradies”, wo sich zwei sehr ungleiche WG-Genossen zusammenfinden – der schweigsame Ich-Erzähler und der Hauptmieter, ein Mensch, der nur existieren kann, wenn er redet, andere dominiert, quält, seine Überlegenheit zeigt. Einer, der in all seinem Tun immer die Oberhand behält. Zumindest zunächst … Ähnliches gilt für Thomas Kasturas tragische Verbrechergeschichte “Fear”, die fast ironisch-amüsant beginnt, mit der Anwesenheit eines “Lebenslänglichen” zum Weihnachtsessen in einer guten, bürgerlichen Familie. Im Gegensatz zu fast allen anderen Beiträgen ist sie nicht in Bayern angesiedelt, sondern in den USA – mit einem Grundmotiv jedoch, das international Gültigkeit besitzen dürfte. Sehr gekonnt entlarvt der Autor gleich zu Anfang die Lügenfassade des gut situierten Anwaltsehepaars mit halbwüchsiger Tochter, bevor die Stimmung nach und nach kippt, während die Hintergründe der Tat zutage treten, für die der Geladene büßt. Es ist eine jener Geschichten, in denen die genannten Eckpunkte Stoff für einen kompletten Roman bieten, der auch in größerer Ausführlichkeit tragfähig wäre. Dies lässt sich auch über “Der verschwundene Flößer” von Georg Unterholzner sagen. Der historische Kurzkrimi, den der Tiermediziner im Grünwalder Forst angesiedelt hat, stellt zwar den Höhepunkt der Suche nach einem abgängigen Floßmeister dar. Mit allen Spannungselementen, die es braucht, um den Leser von Anfang an zu fesseln – Hund, einsames Gasthäusel im Wald, ein Mann mit Pistole, eine Gruppe mutmaßlicher Wilderer … Doch in der Rahmenhandlung geht es um all die Aspekte, die man für große Geschichten braucht: eine ausschweifende Jugend, die falsche (oder richtige?) Berufswahl mit allen Konsequenzen, Liebe … und natürlich Geld. Fast möchte man bedauern, dass am Ende der Täter dingfest gemacht und der Fall gelöst ist, so schön ist dieses Hineintauchen in eine ganz andere Welt. Wer die Vergangenheit mag, wird auch an “Der Fall Ludwig” von Oliver Pötzsch seine Freude haben. Sehr schön rund und dabei durchaus humorvoll zeigt er, wie Anno 1911 Polizeiarbeit geleistet wurde – von einem an den Starnberger See strafversetzten Franken mitten unter königstreuen Akademikern, Aristokraten und Geldsäcken. Der unglückliche Tod eines der ihren im See, direkt vor der Berger Votivkapelle, wo man sich zu Ehren des verblichenen “Kini”, Ludwigs II. versammelt hat, stellt den braven Gendarmen vor große Herausforderungen. Doch ist der Mann gewiefter als die hohen Herren denken und löst geradlinig und mit Spürnase ganz klassisch den Fall. Selbiges darf auch Angela Essers Commissario in “Nessun Dorma” von sich behaupten. Bevor der Mann die Vorgänge rund um den Tod eines Busfahrers aufklären kann, muss er sich allerdings durch die Befragung von bald drei Dutzend Augsburger Senioren auf kulinarischer Erkundungstour in Bella Italia quälen. Eine Tortur, die die Autorin auf so vergnügliche Weise schildert, dass sie dem Leser trotz der unglücklichen Umstände ein Lächeln auf die Lippen zaubert. Überhaupt finden sich erfreulich viele schwarzhumorige Stories in dieser Sammlung, bei denen der Krimifreund nicht umhin kann, die Täter wahlweise zu bewundern oder zu belächeln – in der Gewissheit, dass hier nur literarisch gestorben wurde. Sei es nun als notwendiger Befreiungsschlag von der ehelichen Gängelung, wie bei Lotte Kinskofers “Perfektes Timing”. Oder als Reaktion auf eine insgesamt unerfreuliche Mietsituation wie bei Billie Rubins “Tür an Tür mit Malice”. Oder schlichtweg aus Eifersucht wie in Iris Leisters wunderbar skurriler Story “Drei, zwei, eins – deins”. Natürlich dürfen in einem Sammelband bayerischer Kriminalkurzgeschichten die Verweise aufs bäuerliche Leben nicht fehlen. Sei es in Nicola Förgs “Jessas”, wo neben dem geheimnisvollen Verschwinden eines Mannes gefolgt von einem Leichenfund der Wandel der Kultur und die Abwendung von bisherigen Werten wie Vereinsleben und traditionelle Tierhaltung in einer launigen Geschichte thematisiert werden, die trotz ihres humorvollen Charakters spannend bleibt bis zu Schluss. Oder in “Alte Schätzchen” von Katharina Gerwens, in der eine niederbayerische Bäuerin und ein Staatsanwalt mit gemeinsamer Leidenschaft für Traktoren nicht zusammenkommen können, bevor nicht mit weiblicher Tücke ein schurkischer Schürzenjäger ausgeschaltet wird. Oder in Harry Lucks großartiger “Bauer-sucht-Frau-Persiflage” “Kreuther Gschnetzeltes”, die sich ebenfalls mit Liebe im Landleben befasst. Besonders erwähnenswert, weil jenseits der üblichen “Beziehungsgeschichten” sind schließlich Harry Kämmerers “Licht aus” und Felicitas Mayalls “Winterkrimi”. Beide Male stehen – sehr unterschiedliche! – Männer im Mittelpunkt, die an einem Scheideweg ihres Lebens angekommen zu sein scheinen. Jeder von ihnen hat das Gefühl, etwas ändern zu müssen – beide spielen sie mit dem Gedanken an das perfekte Verbrechen. Zahlreiche Zweifel, ein Anflug von Wahnsinn hier, ein Trugschluss, eine Läuterung da und schließlich ein äußerer Einfluss, der die Wendung bringt … das alles sind die Zutaten für zwei wirklich ungewöhnliche und sehr gelungene Geschichten. Noch viel mehr könnte man sagen über die lesenswerten Beiträge dieser Anthologie – aber nicht unerwähnt soll, ja muss der Anhang bleiben, in dem übersichtlich, knapp, dabei doch aussagekräftig die Arbeit der Hospizbewegung vorgestellt wird. Viele der geschilderten Details berühren Aspekte des Lebens, über die die meisten Menschen am liebsten weder etwas hören, noch nachdenken wollen. Mit zu vielen Tabus sind “Tod und Sterben” heute behaftet. Vielleicht hofft der eine oder die andere auch, ein konsequentes Verdrängen und Schweigen über das Unausweichliche könne das Ende des eigenen Lebens hinauszögern. Oder auf magische Weise den Verlust eines geliebten Angehörigen oder Freundes verhindern. Das geht natürlich nicht. Ob man darüber spricht oder nicht, es wird weiter gestorben. Zu Hause, in Klinik, Hospiz und Altenheim. Aber – und das ist das große Anliegen der Hospizbewegung weltweit: Niemand soll mit seinen Schmerzen und Nöten allein und außerhalb der Gesellschaft sein, wenn Heilung nicht mehr möglich ist. “Sie sind bis zum letzten Augenblick Ihres Lebens wichtig.” sagte die Engländerin Cicely Saunders (1918-2005), Begründerin der modernen Hospizarbeit, die sich auf die Fahne geschrieben hat, “Wir können Ihrem Leben nicht mehr Tage, aber den Tagen mehr Leben geben”. Wie das im Einzelnen aussieht, wie Palliativmedizin und -pflege Hand in Hand einhergehen mit emotionaler und spiritueller Begleitung, um die Lebensqualität lebensbedrohlich erkrankter Patienten und ihrer Familien zu verbessern, welche Angebote es von Haupt- und Ehrenamtlichen gibt – das alles wird am Ende des Buches erläutert. Auf diese Weise erfahren Leserinnen und Leser einerseits, wie der “gute Zweck” genau aussieht, den sie durch den Kauf des Buches begünstigen – sie (und SIE!) erhalten aber auch die Möglichkeit, sich auf zwanglose Weise mit diesem wichtigen Thema zu beschäftigen. Michaela Pelz


Und was kommt dann? Das Kinderbuch vom Tod – Pernilla Stalfelt


Original: Dödekboken
Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer
Moritz Verlag gebunden Frankfurt, 2013
ISBN 978-3-8956-511-06
(Kinder ab 6)
32 Seiten

Sie ist studierte Kulturwissenschaftlerin und Illustratorin, arbeitet jetzt als Museumspädagogin. Sie hat ein Kinderbuch von der Liebe geschrieben und mit „So ein Kack! Das Kinderbuch von ebendem“. Nicht verwunderlich also, dass das Buch von Pernilla Stalfelt, das sich mit dem Tod beschäftigt, alles andere als behutsam oder betulich daherkommt. Gestaltet ist es wie ein Lexikon bei dem sich Text und Bild die Waage halten. Die Illustrationen sind Kinderzeichnungen nachempfunden, die Sätze einfach und kindgerecht – aber genau deswegen auch von unschuldiger Neugierde, in den Augen konservativer Leser vielleicht sogar zuweilen fast ein bisschen despektierlich. Stalfelt betrachtet den Kreislauf der Natur, vergleicht die Veränderungen die eintreten – bei Pflanzen und bei Menschen („Wer tot ist, wird bleich und gelb“) – erwähnt, dass es verschiedene Gründe gibt, warum man sterben kann. Und klammert auch die Tatsache nicht aus, dass sogar Kinder sterben können. Danach erläutert die Schwedin die verschiedenen Ansichten, die es darüber gibt, wohin man kommt, wenn man stirbt. Ohne Wertung stellt sie dabei nebeneinander: Gott, das Nichts, den Glauben an Wiedergeburt. Genau das ist der Punkt, an dem sich die Gemüter der Kritiker dieses Buches entzünden: Denn Stalfelt stellt neben die Möglichkeit, als Blume, Baum, Vogel oder Stern wieder auf die Erde zu kommen, auch die in den Raum, man könne zur Bratwurst werden. Kinder finden die Idee faszinierend und lustig – Erwachsene verstörend, wenn nicht gar skandalös. Das ist auch später noch mal der Fall, wenn es darum geht, dass Tote als Gespenster oder Vampire zurückkehren könnten. Für Kinder ein fast selbstverständlicher Teil ihrer Vorstellungswelt – für Erwachsene etwas, das nur in Geschichten und Schauermärchen seinen Platz hat. Vervollständigt wird das Buch durch eine Beschreibung des Ablaufs nach dem Tod, inklusive der unterschiedlichen Möglichkeiten der Bestattung, sowie einer Schilderung unterschiedlicher Beerdigungsbräuche und Feierlichkeiten anderer Völker. Alles in allem ein Buch, das zur Diskussion und zum Nachdenken anregt und dazu, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen, das zu oft ausgeklammert wird. Ob es sich zur Trauerbewältigung in einem konkreten Fall eignet, muss jeder für sich selbst entscheiden. Für eine Annäherung ans Thema – so lange dieses nicht akut ist und möglicherweise in der Gruppe (Kindergarten, Schulklasse, etc.) – ist dieses Buch in jedem Fall eine ausgezeichnete Wahl. Michaela Pelz


Und was kommt nach tausend? Eine Bilderbuchgeschichte vom Tod – Annette Bley


Ravensburger Bilderbuch
Ravensburg, 2011
ISBN 9783473324163
(Kinder ab 4)
32 Seiten

Lisas bester Freund ist Otto. Otto, der nicht so schnell rennen kann, weil er am Stock geht, und der außerdem schlecht hört. Aber das macht nichts, denn Otto weiß eine Menge über das Leben und die Welt – und er hat Lisa eine tolle Schleuder gebaut! Doch Otto ist alt – und am Ende des Sommers wird er sehr müde und eröffnet seiner kleinen Freundin, dass er bald sterben muss; was er dann auch tut. Natürlich weint das Mädchen und ist sehr traurig. Bis sie mit Hilfe von Olga (von der nicht klar ist, ob sie Ottos Frau ist, seine Tochter oder Lisas Mutter oder einfach eine Freundin – was aber alles nicht wirklich eine Rolle spielt) herausfindet, dass sie Otto zwar nicht mehr sehen können, er aber immer noch da ist. “Denn mit Otto ist das wie mit den Zahlen, er ist einfach in uns drin und hört niemals auf.“ Die Münchnerin Annette Bely, von der sowohl die Illustrationen als auch der Text stammen, hat hier auf sehr poetische Weise ein Buch über den Tod geschrieben, das weder etwas beschönigt (denn natürlich ist der alte Mann tot und begraben) noch jedoch die kleinen Leser verängstigt. Durch die Bleistiftzeichnungen am Rand der in kräftigen Farben gehaltenen Illustrationen mit ihren klaren Linien wird immer klar und nachvollziehbar, was Lisa mit der Stupsnase und den frechen Zöpfen gerade denkt. Und besonders deutlich wird das gerade im allerletzten, ungemein tröstlichen Bild, auf dem klar zu erkennen ist, dass das sommersprossige Bleistiftmädchen den Otto mit seinen charakteristischen Hosenträgern tatsächlich über ihrem Herzen und in ihrem Bauch bei sich trägt. Eine wunderschön gemachte Geschichte, die viele Anregungen zum Gespräch bietet – über Notkekse, die Unendlichkeit der Zahlen, tote Büffel in Baumkronen oder das korrekte Benehmen bei einer Beerdigung … Michaela Pelz


Wie ist das mit der Trauer? – Roland Kachler, Sandra Reckers (Illustrationen)


Gabriel gebunden
Stuttgart, 2007
ISBN 978-3522301169
(Kinder ab 8)
144 Seiten

Der Tod ist der endgültigste Abschied überhaupt. Das ist der behutsame und doch sehr eindeutige Einstieg in ein schmerzliches und sehr persönliches Thema. Alles beginnt damit, dass Lena nach dem Opa fragt, den sie nie kennen gelernt hat, weil er schon starb, als die Mutter noch ein Kind war. Indem die Großmutter berichtet, wie sie diese Zeit erlebt hat und wie es ihr heute damit geht, vermittelt sie der Enkelin einige grundlegende Tatsachen im Zusammenhang mit dem Tod. In der zweiten Geschichte, in der es um Tims Großvater geht, der nach einem Sturz auf den Kopf stirbt, ist die kindliche Hauptperson schon direkter involviert: Von der Hiobsbotschaft am Telefon über die Verabschiedung im Krankenhaus (wo es merkwürdig riecht und der Arzt schwierige Worte gebraucht) bis hin zu den Formalitäten nach dem Tod – alles kriegt der Junge hautnah mit. Die weiteren drei Geschichten (Luisa verliert ihre noch eher junge Tante, Bennis Vater erleidet einen tödlichen Herzinfarkt und Maxis Bruder Marc wird bei einem Verkehrsunfall getötet) beschäftigen sich jeweils mit unterschiedlichen Aspekten einer Trauersituation: Was fühlen Trauernde unmittelbar nach dem Tod ihres Angehörigen (ist es z.B. normal, vom Verstorbenen zu träumen oder ihn gar vor sich zu sehen? Ja, es ist nichts Ungewöhnliches!), wie läuft eine Beerdigung ab, wie geht es Menschen, die einen solchen Verlust erlitten haben, Monate später? Aufgelockert durch Infoblöcke (Wie trauert man? Welche Bestattungsarten gibt es? Was geschieht mit dem Körper, der Seele?) und nicht zu vergessen, die klaren, farbigen Bilder von Sandra Reckers, geht das Buch des 1955 geborenen Theologen, Pfarrers und Psychologen Kachler immer wieder in kindgerechten, aber nie verniedlichenden Worten auf die verschiedenen Stadien der Trauer (von Verdrängung bis hin zu Wut und Schuldgefühlen) und den Umgang damit ein. Durch seine Arbeit als Leiter der psychologischen Beratungsstelle des Kirchenbezirks Esslingen ist Kachler das Thema „Kinder und Trauer“ sehr vertraut – wohl darum gelingt es ihm so gut, sich in die Gedankenwelt, Fragen und Sprache der Kinder und Jugendlichen hineinzufinden. Ein ausgesprochen empfehlenswertes Buch, sowohl für den Unterricht als auch für Betroffene, die speziell im Kapitel „Für Eltern“ konkrete Anregungen finden, wie sie den Kindern helfen können, die Trauer zu bewältigen. Michaela Pelz


Willi wills wissen: Wie ist das mit dem Tod? – Heike Gätjen


Baumhaus gebunden
Frankfurt, 2007
ISBN 978-3833927096
(Kinder ab 8)
45 Seiten

Den Willi kennen sie alle – Kinder und Eltern. Und alle wissen, dass der Wahlmünchner sich, stellvertretend für seine Zuschauer, nicht mit oberflächlichen Antworten abspeisen lässt, sondern den Dingen auf den Grund geht und auch schwierige Themen nicht scheut. Eigentlich logisch also, dass der beliebte Moderator und Journalist auch versucht, eines der größten Tabuthemen, nämlich Tod und Sterben, kindgerecht aufzubereiten. Die entsprechende TV-Sendung zwischen zwei Buchdeckel zu packen, dieser Aufgabe hat sich Heike Gätjen angenommen. Und es ist der Soziologin, Volkswirtschaftlerin, Journalistin und dreifachen Mutter sehr ordentlich gelungen, „dem Willi“ eine gedruckte Stimme zu verleihen. Durchgängig illustriert, mit zahlreichen Infokästen ergänzt, beschäftigen sich die umfangreichen Textstrecken mit den unterschiedlichsten Aspekten: Wie lange leben verschiedene Tiere, wie alt können Menschen werden? Im Interview erzählt ein Mädchen, wie es den Tod der Urgroßmutter empfunden hat oder eine Über-Neunzigjährige spricht über ihre Träume und Vorstellungen von dem, was auf sie zukommen wird. Auf einfache Weise wird erklärt, welche physiologischen Vorgänge zum Tod führen und ein Arzt schildert seine ganz persönliche Begegnung mit dem Tod. Sodann sucht Willi einen Friedhof auf, lässt sich erläutern, wie eine Beerdigung vonstatten geht und was alles zu beachten ist. Außerdem darf ein Bestatter erzählen, was er alles tut und welche Alternativen es zu einer klassischen Erdbestattung gibt. Bevor Willi unterschiedliche Gebräuche anderer Religionen und Kulturen vorstellt, kommt noch ein Trauerbegleiter zu Wort. Wer Willis Art, sich den Themen zu nähern, kennt und mag, wird diese bunte Mischung rund um Tod und Sterben garantiert schätzen. Doch auch alle anderen werden diese „Reportage für Kinder und alle, die es wissen wollen“ informativ und lesenswert finden. Übrigens: Die Sendung, auf der das Buch basiert, ist auch als DVD erhältlich. Michaela Pelz